Schliessen
von Göler (Hrsg.) / Tobias Bieber, Christin Krämer / § 55
Versionen

§ 55 Erhöhung des Stammkapitals

(1) Wird eine Erhöhung des Stammkapitals beschlossen, so bedarf es zur Übernahme jedes Geschäftsanteils an dem erhöhten Kapital einer notariell aufgenommenen oder beglaubigten Erklärung des Übernehmers. Die notarielle Aufnahme oder Beglaubigung der Erklärung kann auch mittels Videokommunikation gemäß den §§ 16a bis 16e und 40a des Beurkundungsgesetzes erfolgen.

(2) Zur Übernahme eines Geschäftsanteils können von der Gesellschaft die bisherigen Gesellschafter oder andere Personen, welche durch die Übernahme ihren Beitritt zu der Gesellschaft erklären, zugelassen werden. Im letzteren Fall sind außer dem Nennbetrag des Geschäftsanteils auch sonstige Leistungen, zu welchen der Beitretende nach dem Gesellschaftsvertrag verpflichtet sein soll, in der in Absatz 1 bezeichneten Urkunde ersichtlich zu machen.

(3) Wird von einem der Gesellschaft bereits angehörenden Gesellschafter ein Geschäftsanteil an dem erhöhten Kapital übernommen, so erwirbt derselbe einen weiteren Geschäftsanteil.

(4) Die Bestimmungen in § 5 Abs. 2 und 3 über die Nennbeträge der Geschäftsanteile sowie die Bestimmungen in § 19 Abs. 6 über die Verjährung des Anspruchs der Gesellschaft auf Leistung der Einlagen sind auch hinsichtlich der an dem erhöhten Kapital übernommenen Geschäftsanteile anzuwenden.

Für den Rechtsverkehr

(für Nichtjuristen)

zum Expertenteil (für Juristen)

Bedeutung für den Rechtsverkehr, häufige Anwendungsfälle

1§ 55 GmbHG ist die Ausgangsnorm des GmbHG für das Verfahren zur Erhöhung des Stammkapitals der GmbH. Sie wird durch die nachfolgenden Vorschriften der §§ 56-57o GmbHG ergänzt. Neben einigen, die Kapitalerhöhung im allgemeinen betreffenden Vorschriften finden sich dort spezielle Regelungen zu den verschiedenen Arten der Kapitalerhöhung.

A. Wirtschaftliche Bedeutung & Anwendungsfälle

2Wirtschaftliche Gründe für die Durchführungen von Kapitalerhöhungen können insbesondere die Aufnahme neuer Gesellschafter oder die Aufstockung der Eigenkapitalbasis sein, um Finanzierungsspielräume für Investitionen zu schaffen. Ergänzend zu dem direkten Mittelzufluss, der aus der Kapitalerhöhung resultiert, wird es dem Unternehmen durch die Kapitalerhöhung auch erleichtert, Kredite aufzunehmen, da die Kreditwürdigkeit steigt. Gerade dann, wenn sich die GmbH in einer Krise befindet und keine anderen Sicherheiten stellen kann und somit aufgrund ihrer Unterfinanzierung möglicherweise keine Kredite mehr von Banken erhalten würde, kann eine Kapitalerhöhung elementar sein, um den Bestand der GmbH zu sichern.

Folge der Kapitalerhöhung ist, dass nun auch für das erhöhte Stammkapital die strengen Vorschriften des GmbHG über die Kapitalerhaltung gelten. Die Verletzung dieser Vorschriften kann zur persönlichen Haftung der Gesellschafter führen.

Bei der GmbH sind verschiedene Arten der Kapitalerhöhung denkbar, zwischen denen je nach Situation gewählt werden kann. Zunächst ist denkbar, dass die Gesellschafter der GmbH direkt neues Kapital in Form von Barkapital oder anderen Vermögensgegenständen (bei der sog. Sachkapitalerhöhung) zuführen. Darüber hinaus ist es möglich, das Eigenkapital durch die Umwandlung von Rücklagen der Gesellschaft zu erhöhen. Da hierbei kein weiteres Kapital zufließt, verbessert sich die Liquidität der GmbH in diesem Fall nicht. Die quotale Beteiligung der Gesellschafter am Stammkapital ändert sich hierbei ebenfalls grundsätzlich nicht, da es sich um einen Fall der reinen Innenfinanzierung handelt. Daneben sind auch verschiedene Mischformen denkbar.

B. Ablauf einer Kapitalerhöhung

3Für eine Kapitalerhöhung ist zunächst ein wirksamer Gesellschafterbeschluss notwendig, in dem die konkrete Kapitalerhöhung beschlossen wird, insbesondere also entschieden wird, um welchen Betrag das Stammkapital erhöht werden soll. Sofern die oben genannte Möglichkeit der Sachkapitalerhöhung gewählt werden soll, muss der Beschluss weiterhin zwingend die Angaben enthalten, die in § 56 GmbHG genannt sind. Die Kapitalerhöhung ist eine Satzungsänderung und damit zwingend notariell zu beurkunden, § 53 Abs. 2 GmbHG. Bei der Beschlussfassung müssen die gesetzlichen Vorgaben für die Form und die erforderlichen Mehrheiten (3/4-Mehrheit der Stimmen) beachtet werden. Daneben sind auch weitere mögliche Vorgaben in der Satzung der GmbH zu bedenken.

Den bisherigen Gesellschaftern der GmbH steht bei der Kapitalerhöhung grundsätzlich ein Bezugsrecht zu. Hierdurch wird sichergestellt, dass die Gesellschafter die Möglichkeit haben, nach der Kapitalerhöhung denselben prozentualen Anteil an der GmbH zu halten, wie vorher.

Beispiel:

Hält ein Gesellschafter 50% am bisherigen Stammkapital der GmbH von 25.000,00 €, also 12.500,00 €, hat er bei einer Kapitalerhöhung auf 50.000,00 € das Recht, seinen eigenen Anteil um weitere 12.500,00 € aufzustocken, um so wiederum zu 50% beteiligt zu sein.

Verfügt ein Gesellschafter nicht über die ausreichenden finanziellen Mittel, um seinen Anteil weiter aufzustocken oder verzichtet er darauf, können die übrigen Gesellschafter dieses Recht entsprechend ihrer bisherigen Anteile wahrnehmen.

Beispiel:

A, B und C halten jeweils 1/3 des bisherigen Stammkapitals der GmbH, das 30.000,00 € beträgt. Es wird eine Kapitalerhöhung auf 60.000,00 € beschlossen. Jedem Gesellschafter steht somit das Recht zu, seine Beteiligung um weitere 10.000,00 € aufzustocken. Da C dazu finanziell nicht in der Lage ist oder freiwillig verzichtet, können A und B jeweils gleichermaßen um weitere 5.000,00 € aufstocken.

Bei einer Kapitalerhöhung durch Umwandlung von Rücklagen müssen sich die Gesellschafter nicht zusätzlich finanziell engagieren, um ihren bisherigen prozentualen Anteil an der Gesellschaft zu behalten. Hier besteht kein Risiko, dass Gesellschafter nicht über ausreichende Mittel verfügen, um ihre Anteile weiter aufzustocken, weshalb es regelmäßig bei der bisherigen prozentualen Beteiligungsquote bleibt (s. oben).

Das Bezugsrecht der Altgesellschafter kann jedoch auch ausgeschlossen werden. Dies kann insbesondere dann notwendig sein, wenn Investoren als weitere Gesellschafter aufgenommen werden sollen. Hier muss der prozentuale Anteil der bisherigen Gesellschafter an der Gesellschaft reduziert werden. Der Ausschluss muss jedoch bestimmten gesetzlichen Vorgaben genügen. Insbesondere hat ein sachlicher Grund für den Ausschluss des Bezugsrechts vorzuliegen, dessen Verfolgung im Gesellschaftsinteresse und nicht nur im Interesse einzelner Gesellschafter liegen darf. Zu diesen Gründen kann beispielsweise das Ziel zählen, weitere Gesellschafter aufzunehmen – etwa, um besonders wichtige Mitarbeiter so stärker ans Unternehmen zu binden und sie am Erfolg zu beteiligen. Bei Venture-Capital-Beteiligungen an jungen Unternehmen liegt der Grund regelmäßig in deren dringendem Finanzierungsbedarf, der andernfalls nicht gedeckt werden kann.

Es darf darüber hinaus kein anderes Mittel zum Erreichen des angestrebten Ziels existieren, welches weniger intensiv in die Interessen der ausgeschlossenen Gesellschafter eingreift. Außerdem muss eine Gewichtung und Abwägung zwischen den aus dem Ausschluss resultierenden Nachteilen für die betroffenen Gesellschafter mit den Vorteilen erfolgen, die sich daraus für die Gesellchaft ergeben.

Falls ein solcher Ausschluss des Bezugsrechts beschlossen wurde und die bisherigen Gesellschafter nach der Kapitalerhöhung abweichend von ihren bisherigen prozentualen Anteilen beteiligt sein werden bzw. falls künftig weitere Personen als die bisherigen Gesellschafter beteiligt sind, müssen die bisherigen Gesellschafter einen zusätzlichen Gesellschafterbeschluss fassen. Dieser legt fest, in welchem Verhältnis die Personen zum Bezug berechtigt sein sollen. In der Praxis können beide Beschlüsse auch gemeinsam gefasst werden.

Zur Übernahme der Geschäftsanteile muss die GmbH nun einen Vertrag mit den jeweiligen Übernehmern abschließen, in dem die Verpflichtung des Übernehmers zur Leistung seiner Einlage geregelt wird. Im Anschluss daran ist der Übernehmer verpflichtet, den auf ihn entfallenden Anteil der Einlage zu leisten. Die Zahlung sollte in keinem Fall auf ein debitorisches Konto der Gesellschaft leisten, ohne vorher anwaltlichen Rat einzuholen. 

C. Problemfälle

4Besondere Probleme können auftreten, wenn es im Anschluss an den Abschluss dieses Übernahmevertrags zu Zerwürfnissen zwischen den Beteiligten kommt. Insbesondere in Fällen, in denen die Kapitalerhöhung der Aufnahme neuer Gesellschafter dienen soll und diese mit den Altgesellschaftern in Streit geraten. Der Übernehmer wird kein Gesellschafter, solange die Kapitalerhöhung nicht vollständig vollzogen ist, d.h. deren Eintragung im Handelsregister vorgenommen wurde. Kommt es allerdings zu Auseinandersetzungen, wird häufig die Anmeldung und somit letztlich auch die Eintragung unterbleiben. Aus dem Übernahmevertrag resultiert auch kein durchsetzbarer Anspruch des Übernehmers darauf, als Gesellschafter aufgenommen zu werden. Er kann sich also nicht in seine Gesellschafterstellung einklagen. Andererseits bleibt die Verpflichtung, die Einlage zu leisten, grundsätzlich bestehen. Dies ist für den betroffenen Übernehmer mitunter sehr nachteilhaft. Ihm wird daher nach einer gewissen Dauer der Verzögerung das Recht zugestanden, sich wieder einseitig von seiner Verpflichtung zur Leistung der Einlage aus dem Übernahmevertrag zu lösen. Sofern dem Gesellschafter ein Verschuldensvorwurf gemacht werden kann, besteht unter bestimmten Voraussetzungen das Risiko, dass dieser dem Übernehmer zum Schadensersatz verpflichtet ist. Dies darf aber nicht dazu führen, dass der Übernehmer wirtschaftlich so gestellt wird, als wäre er tatsächlich Gesellschafter geworden. Ihm werden lediglich die finanziellen Einbußen ersetzt, die er hatte, weil er auf die Durchführung des Geschäfts vertraut hat und die Einbußen ihm nicht entstanden wären, wenn es von Anfang an nicht zum Abschluss des Übernahmevertrags gekommen wäre.

Es kann sich daher anbieten, in dem Übernahmevertrag über den oben genannten Mindestinhalt hinaus weitere Modalitäten der Übernahme der neuen Geschäftsanteile zu regeln. Hierzu gehört etwa die Frage, welche Pflichten die GmbH im Einzelnen treffen und welche Folgen im Fall der Verzögerung oder Vereitelung der Eintragung der Kapitalerhöhung eintreten. Ohne derartige klare vertragliche Regelungen greifen lediglich die oben genannten gesetzlichen Institute, die möglicherweise nicht immer zu einem befriedigenden Ergebnis führen.

D. Wirksamwerden der Kapitalerhöhung

5Die beschlossene Erhöhung des Stammkapitals ist nach §§ 57 I, 78 GmbHG durch sämtliche Geschäftsführer zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. Nach der Prüfung durch das Registergericht gemäß § 57a GmbHG i.V.m. § 9c GmbHG wird die Kapitalerhöhung in das Handelsregister eingetragen und bekanntgemacht. Erst hierdurch wird die Kapitalerhöhung wirksam. Werden im vorherigen Verfahren bei der Übernahmeerklärung bestimmte Formalia nicht beachtet, die Kapitalerhöhung aber dennoch eingetragen und bekanntgemacht, so hat dies zur Folge, dass die Fehler grundsätzlich geheilt werden und somit unbeachtlich sind. Die entsprechenden Mängel können dann in der Regel nicht mehr im Wege einer Klage gerichtlich angegriffen werden.

E. Exkurs: Squeeze-Out

5aUnter einem sogenannte Squeeze Out versteht man den gezielten Ausschluss von Gesellschaftern durch Beschluss der übrigen Gesellschafter. Dieser aus dem Aktienrecht stammende Begriff ist im GmbH-Recht jedoch unterschiedlich zu definieren. Im Aktienrecht ist gemäß der §§ 327a ff. AktG der Ausschluss von Aktionären möglich, wenn ein Mehrheitsaktionär, dem 95 % der Aktien der AG hält, den Ausschluss der übrigen Aktionäre beschließt. Im GmbH-Recht hingegen ist der Ausschluss anderer Gesellschafter aufgrund des Erreichens einer Beteiligungsschwelle nicht möglich. Während die AG regelmäßig als Kapitalsammelbecken verstanden wird, ist die Bindung der Gesellschafter in der GmbH deutlich enger. Die GmbH-Gesellschafter sind sich gegenseitig besonders zur gesellschaftlichen Treue verpflichtet. Im Rahmen des diese Treuepflicht begründenden Näheverhältnisses sind die Gesellschafter untereinander dazu verpflichtet, auf die gesellschaftsrechtlichen Interessen der Mitgesellschafter Rücksicht zu nehmen.

Nichts desto trotz ist der Ausschluss von Gesellschafter im GmbH-Recht möglich. So sind beispielsweise gesellschaftsvertragliche Gestaltungsmöglichkeiten denkbar, aufgrund derer ein Gesellschafter unter gewissen Voraussetzungen aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden kann. Das GmbH-Gesetz enthält selbst nur lückenhafte Regelungen zum (unfreiwilligen) Ausschluss eines Gesellschafters.

In der gesellschaftsrechtlichen Praxis wird im Rahmen des Gesellschaftsvertrages regelmäßig vereinbart, unter welchen Bedingungen sich die Gesellschafter gegenseitig ausschließen können. Hierfür wird vereinbart, dass der Ausschluss eines Gesellschafters nur aus wichtigem Grund erfolgen kann. Typische Gründe sind zum Beispiel die Zwangsvollstreckung in einen Gesellschaftsanteil, besonders schwerwiegende Pflichtverletzung, kriminelle Handlungen oder zum Beispiel schwerwiegende Verstöße gegen ein Wettbewerbsverbot. Maßgeblich ist jeweils, dass der Ausschluss des Gesellschafters das letzte Mittel darstellt.

Eine andere Option, unliebsame Gesellschafter aus einer GmbH auszuschließen, stellt die gezielte Verwässerung der Gesellschaftsanteile dar. Durch Kapitalerhöhungen, die der unliebsame Gesellschafter nicht mit zeichnet, wird faktisch sein relativer Anteil am Stammkapital der Gesellschaft verkleinert und der Einfluss des Gesellschafters schrumpft somit. In Einzelfällen ist auch die Vornahme einer Erhöhung des Stammkapitals unter Ausschluss des Bezugsrechts des unliebsamen Gesellschafters denkbar.

Expertenhinweise

(für Juristen)

1) Allgemeines

Die Kapitalerhöhung ist die Erhöhung der in der Satzung ausgewiesenen Stammkapitalziffer. Die §§ 55-57a GmbHG regeln hierbei den Fall der effektiven Kapitalerhöhung durch Zuführung neuer Mittel in bar oder durch Sacheinlage, während die §§ 57c-57o GmbHG die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln zum Gegenstand haben. Bei diesen werden bereits vorhandene Rücklagen der Gesellschaft in Stammkapital umgewandelt (nominelle Kapitalerhöhung).

2) Definitionen

a) Kapitalerhöhungsbeschluss

8Die Gesellschafter müssen zunächst einen Kapitalerhöhungsbeschluss fassen. Die Übertragung der Kompetenz zum Kapitalerhöhungsbeschluss auf andere Organe der Gesellschaft ist unzulässig.

Die Beschlussfassung über eine Kapitalerhöhung durch die Gesellschafter unterliegt einem weiten unternehmerischen Ermessen, welches selbst wiederum lediglich einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle unterworfen ist.


Fußnoten