Schliessen
von Göler (Hrsg.) / Philip Rödiger, LL.M. oec. / § 34

§ 34 Einziehung von Geschäftsanteilen

(1) Die Einziehung (Amortisation) von Geschäftsanteilen darf nur erfolgen, soweit sie im Gesellschaftsvertrag zugelassen ist.

(2) Ohne die Zustimmung des Anteilsberechtigten findet die Einziehung nur statt, wenn die Voraussetzungen derselben vor dem Zeitpunkt, in welchem der Berechtigte den Geschäftsanteil erworben hat, im Gesellschaftsvertrag festgesetzt waren.

(3) Die Bestimmung in § 30 Abs. 1 bleibt unberührt.

Für den Rechtsverkehr

(für Nichtjuristen)

zum Expertenteil (für Juristen)

Bedeutung für den Rechtsverkehr, häufige Anwendungsfälle

1Die Amortisation des § 34 I GmbHG ist das Mittel der Wahl, um einen Gesellschafter aus der Gesellschaft mit oder gegen seinen Willen ausscheiden zu lassen. Hiernach kann der Ausschluss eines Gesellschafters sowohl gegen dessen Willen, als auch mit dessen Zustimmung erfolgen. Sowohl bei einem Ausschluss mit dessen Zustimmung als auch bei einem Ausschluss gegen dessen Willen, bedarf es aber einer vorherigen Regelung im Gesellschaftsvertrag.

In der Praxis ist diese Norm insbesondere dann von Bedeutung, wenn die Mehrheit der Gesellschafter einen unerwünschten Gesellschafter aus der Gesellschaft ausschließen möchte. Für die Durchsetzung einer solchen Trennung hat der Gesetzgeber neben § 34 GmbHG nur wenige Möglichkeiten geschaffen. Diese sind die Kaduzierung (§§ 21 ff. GmbHG) und die Nachschusspflicht (§ 27 GmbHG).

Zum Verfahren der Einziehung gibt das Gesetz nur wenige Hinweise.

Grundsätzlich erlaubt § 34 GmbHG die Einziehung von Geschäftsanteilen nur dann, wenn diese Möglichkeit im Gesellschaftsvertrag vorgesehen ist.

Eine solche Klausel des Gesellschaftsvertrags könnte beispielsweise lauten:

2Einziehung

  1. Die Einziehung von Geschäftsanteilen ist mit Zustimmung des betroffenen Gesellschafters jederzeit zulässig.
  2. Die Einziehung eines Geschäftsanteils oder eines Teils eines solchen, ist ohne die Zustimmung des betroffenen Gesellschafters zulässig, wenn
    a) der Geschäftsanteil von einem Gläubiger des Gesellschafters gepfändet oder in sonstiger Weise in den Geschäftsanteil vollstreckt wird und die Vollstreckungsmaßnahme nicht innerhalb von drei Monaten, spätestens bis zur Verwertung des Geschäftsanteils aufgehoben wird;
    oder
    b) über das Vermögen des Gesellschafters das Insolvenzverfahren eröffnet oder die Eröffnung eines solchen Verfahrens mangels Masse abgelehnt wird;
    oder
    c) der Gesellschafter seine sich aus diesem Gesellschaftsvertrag ergebenden Verpflichtungen grob verletzt und diese Pflichtverletzung trotz einer schriftlichen Abmahnung durch einen Gesellschafter oder durch die Gesellschaft fortsetzt oder in der Person des Gesellschafters ein seine Ausschließung rechtfertigender wichtiger Grund vorliegt; als ein solcher Grund gilt nach diesem Vertrag auch ein Verhalten, das die geordnete Verwaltung des gemeinsamen Vermögens gefährdet oder behindert oder in sonstiger Weise die Zusammenarbeit zwischen den Gesellschaftern nachhaltig stört;
    oder
    d) der Gesellschafter rechtswirksam gekündigt oder seinen Austritt aus der Gesellschaft erklärt hat.
  3. Steht ein Geschäftsanteil mehreren Mitberechtigten ungeteilt zu, so ist die Einziehung gemäß Absatz 2 auch zulässig, wenn deren Voraussetzungen nur in der Person eines Mitberechtigten vorliegen.  
  4. Die Einziehung wird durch die Geschäftsführung erklärt. Sie bedarf eines Gesellschafterbeschlusses, der mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst wird. Der betroffene Gesellschafter ist nicht stimmberechtigt. Ab dem Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Einziehung gewährt der betroffene Geschäftsanteil bis zur Wirksamkeit der Einziehung bzw. bis zum Abschluss des Abtretungsverfahrens kein Stimmrecht. Die Einziehung hat zur Folge, dass der betroffene Gesellschafter mit unmittelbarer Wirkung aus der Gesellschaft ausscheidet, auch wenn Streit über das Vorliegen eines wichtigen Grundes bzw. einer sonstigen Voraussetzung der Einziehung besteht. Die Gesellschaft wird von den übrigen Gesellschaftern fortgesetzt.

Das GmbHG verhält sich zu den Rechtsfolgen einer Einziehung nur rudimentär, weswegen es sich empfiehlt, auch die Folgen einer Einziehung vorab im Gesellschaftsvertrag zu regeln. Eine entsprechende Formulierung könnte lauten wie folgt:

3Abfindung

  1. Scheidet ein Gesellschafter aus der Gesellschaft aus, erhält er als Abfindungsguthaben einen seiner Beteiligung entsprechenden Anteil am Unternehmenswert, der nach dem von der Finanzverwaltung im Falle des Fehlens eines Börsenkurses oder stichtagsnahen Veräußerungsvorganges wahlweise angewandten vereinfachten Ertragswertverfahren nach §§ 199 ff. BewG zu ermitteln ist. Der hiernach ermittelte Unternehmenswert darf den Verkehrswert nicht überschreiten. Die Wertermittlung ist von einem Mitglied der Rechts- oder Steuerberatenden Berufe als Gutachter vorzunehmen. Können sich die Parteien nicht auf einen Gutachter einigen, ist ein solcher von der örtlich zuständigen IHK zu benennen. Die Kosten des Gutachtens trägt die Gesellschaft.
  2. Von dem gutachterlich festgestellten Unternehmenswert ist ein Abschlag von 30 % zu machen. Als Bewertungsstichtag gilt der Tag des Ausscheidens.
  3. Wertmäßige Untergrenze der Abfindung ist der Buchwert des Geschäftsanteils, der auf der Grundlage der Handelsbilanz zu ermitteln ist. Für die Ermittlung des Buchwerts ist der Jahresabschluss für das Geschäftsjahr maßgeblich, in dem der Gesellschafter ausscheidet. Buchwert des Anteils im Sinne dieser Regelung ist der Nennwert des Geschäftsanteils, gemindert um noch nicht geleistete Einlagen, zuzüglich des Anteils an offenen Rücklagen und Gewinnvortrag, abzüglich eventueller Verlustvorträge. Am Ergebnis schwebender Geschäfte, die nach steuerlichen Vorschriften nicht bilanzierungspflichtig sind, nimmt der ausscheidende Gesellschafter nicht teil. Nicht berücksichtigt werden stille Reserven, Firmenwert und Goodwill. Auf dieser Grundlage ist der Buchwert für den Tag des Ausscheidens zu ermitteln. Sollte der Verkehrswert niedriger sein, so stellt dieser die Untergrenze der Abfindung dar.
  4. Sollte im Einzelfall rechtskräftig festgestellt werden, dass die Abfindungsregelung rechtsunwirksam oder unzumutbar ist, so ist die niedrigste noch zulässige Abfindung zu gewähren, wobei die Zielsetzung gemäß des Absatz 1 zu berücksichtigen ist.
  5. Werden Steuerbilanzen, die dem Abfindungsguthaben zugrunde gelegt wurden, durch eine spätere finanzamtliche Außenprüfung bestandskräftig geändert, ändert sich insoweit das Abfindungsguthaben nicht, jedoch sind etwaige hierdurch ausgelöste steuerliche Mehrbelastungen des Abfindungsberechtigten durch die Gesellschaft auszugleichen.
  6. Das Abfindungsguthaben ist vom Zeitpunkt der Wirksamkeit des Ausscheidens an gemäß § 247 BGB zu verzinsen und in drei gleichen unmittelbar aufeinander folgenden Jahresraten zur Zahlung fällig, wobei die erste Rate drei Monate nach dem Zeitpunkt der Wirksamkeit des Ausscheidens zu bezahlen ist. Die Zinsen sind jeweils mit den Raten zur Zahlung fällig. Der Gesellschaft steht das Recht einer früheren Auszahlung zu.

Expertenhinweise

(für Juristen)

1) Allgemeines

4Die Norm ist Teil des Themenkreises der Aufhebung der gesellschaftsrechtlichen Bindung. Neben der Kündigung durch den Gesellschafter hat unter Umständen die Gesellschaft ihrerseits die Möglichkeit die vertragliche Bindung mit dem Gesellschafter zu lösen. Hierfür bedarf es eines Gesellschafterbeschlusses (§ 46 Nr. 4 GmbHG). Nachdem in diesem Fall der Amortisation der Gesellschaftsanteil des betroffenen Gesellschafters vernichtet wird, ist dieser Fall zu unterscheiden vom Ausschluss des Gesellschafters aus wichtigem Grunde; denn in jenem Fall bleibt der Geschäftsanteil erhalten und muss von der Gesellschaft selbst oder einem Dritten übernommen oder eingezogen werden. Indessen findet sich in der Praxis in vielen Satzungen, dass bei einem Ausschluss aus wichtigem Grunde dieser durch Einziehung des Geschäftsanteils geschieht, weswegen dieser Unterscheidung in der Praxis keine große Beachtung widerfährt, was durch die Rechtsprechung des BGH, wonach selbst wenn eine Satzungsregelung fehlt, ein Ausschluss aus wichtigem Grund durch Einziehung realisiert werden kann.BGH NJW 1977, 2316 = GmbHR 1978, 131; BGHZ 9, 157, 168 = NJW 1953, 780 Der Ausschlussgrund ersetzt in einem solchen Fall die fehlende Satzungsregelung. Der Ausschluss selbst kann in diesem Falle jedoch nur durch Gestaltungsurteil, nicht durch Beschluss erfolgen.BGH NJW 1999, 3780

Hieran wird ein Unterschied zu § 140 HGB deutlich, wonach der Ausschluss eines Gesellschafters von Gesetzes wegen stattfinden kann. In § 34 HGB hingegen ist nur ein Ausscheiden auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage vorgesehen.

Sofern von der Ermächtigung Gebrauch gemacht wurde, im Gesellschaftsvertrag einen Ausschluss von Gesellschaftern vorzusehen, handelt es sich regelmäßig um einen Fall des § 34 GmbHG. Im Umkehrschluss kann der Gesellschaftsvertrag auch Austrittsrechte einräumen. Es ist dies Kündigung nach § 60 II GmbHG mit Fortsetzung der Gesellschaft durch die übrigen Gesellschafter zu werten.

Nachdem sich die Interessenlage bei der GmbH in der Praxis jedoch u.U. nicht von der Handelsgesellschaft unterscheidet, haben Rechtsprechung und Schrifttum außerhalb des Gesetzes Ausschluss-, Austritts- und Auflösungsmöglichkeiten entwickelt. Entgegen anderslautender Meinung besteht kein Bedürfnis für die analoge Anwendung der Regelungen über das Squeeze-Out-Verfahren (§§ 327a ff. AktG).anders v. Morgen WM 2003, 1553, 1556 ff., 1558 ff.

2) Definitionen

5Berechtigter:

Derjenige, dem die mit dem Geschäftsanteil verbundenen Rechte und Pflichten zustehen.

Einziehung (Amortisation): 

Eine grundsätzlich auf Gesellschafterbeschluss beruhende einseitige, empfangsbedürftige, gestaltende Willenserklärung. Durch Zugang der Willenserklärung beim Adressaten wird der Geschäftsanteil des betroffenen Gesellschafters vernichtet. Durch die Vernichtung des Geschäftsanteils gehen grundsätzlich alle mit ihm verbundenen mitgliedschaftlichen Rechte und Pflichten unter.

Erwerb:

Rechtsnachfolgerschaft aufgrund eines Rechtsgeschäfts.

Geschäftsanteil:

Der Geschäftsanteil verkörpert die Mitgliedschaft und die daraus folgenden Rechte und Pflichten, die damit als Ganzes selbstständig übertragbar und belastbar werden.vgl. Lutter/Hommelhoff/Bayer Rn. 1; Michalski/Ebbing Rn. 2; BGH DB 1972, 132

Gesellschaftsvertrag:

In der GmbH wird der Gesellschaftsvertrag üblicherweise auch als „Satzung“ bezeichnet. Dabei handelt es sich um einen Organisationsvertrag mit zweifacher Funktion, was die Bezeichnung als „Satzung“ und „Gesellschaftsvertrag“ bereits erkennen lässt. 

Zugelassen:

Grundsätzlich erlaubt das Gesetz keine Vernichtung eines Geschäftsanteils durch die übrigen Gesellschafter. Zugelassen meint in Abkehr hiervon die vorherige Vereinbarung zwischen den Gesellschaftern in der Satzung, dass bei Vorliegen bestimmter Umstände gleichwohl ein Geschäftsanteil vernichtet werden kann.

Zustimmung:

Dies meint die Einverständniserklärung zu einem durch einen anderen vorgenommenen Rechtsgeschäft. Die vorherige Zustimmung wird als Einwilligung bezeichnet, die nachträgliche Zustimmung als Genehmigung (§§ 183, 184 BGB). 

3) Abgrenzungen, Kasuistik

6Dogmatische Einordnung

Die dogmatische Einordnung der Einziehung ist bis heute nicht abschließend geklärt und ermöglicht verschiedene Auffassungen. Zwar zieht die Einziehung den Untergang des betroffenen Geschäftsanteils und damit zugleich das Erlöschen der mit ihm verbundenen mitgliedschaftlichen Rechte und Pflichten nach sich.BGH Urt. v. 1.4.1953 – II ZR 235/52; v. 14.9.1998 – II ZR 172/97, BGHZ 139, 299 (302); Wolff GmbHR 1999, 958; Altmeppen in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 34 Rn. 76

4) Prozessuales

Hinsichtlich der prozessualen Möglichkeiten sind verschiedene Konstellationen zu unterscheiden. Mängel des Einziehungsbeschlusses können durch Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage gem. § 241 AktG analog geltend gemacht werden. Die Anfechtungsklage ist innerhalb angemessener Frist zu erheben. Hierbei gibt Monatsfrist nach § 246 Abs. 1 AktG einen Rahmen vor.

Soweit gegen den Beschluss die gegen die Gesellschaft zu richtende Nichtigkeitsklage analog § 249 AktG in Betracht kommt, kommt ihr wegen ihrer Wirkung erga omnes Vorrang zu, sodass für eine stattdessen erhobene allgemeine Feststellungsklage gemäß § 256 ZPO das berechtigte Interesse fehlt.

Nach langjähriger Ablehnung anerkennt der BGH mittlerweile die Schiedsfähigkeit von Beschlussmängeln, sofern und soweit das schiedsgerichtliche Verfahren bestimmte, aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Mindeststandards einhält.BGH Urt. v. 6. 4. 2009 - II ZR 255/08

Ergibt sich aus dem Gesellschaftsvertrag keine Ausschlussmöglichkeit, gewähren Rechtsprechung und Literatur einer Gesellschaft übereinstimmend die so genannte Ausschließungsklage aus wichtigem Grund, wenn eine Ausschlussmöglichkeit nicht vertraglich vorgesehen ist.BGH Urt. v. 1. 4. 1953 - II ZR 235/52

Die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts bestimmt sich nach allgemeinen Grundsätzen. § 61 Abs. 3 GmbHG, wonach das Landgericht ausschließlich zuständig ist, in dessen Bezirk die Gesellschaft ihren Sitz hat, findet auf die Ausschlussklage keine analoge Anwendung.Scholz/W/S GmbHG Anh. zu § 34 Rn. 38 Sachlich zuständig ist je nach Streitwert das Amts- oder Landgericht, §§ 23, 71 GVG.

Die örtlich Zuständigkeit richtet sich nach §§ 22, 17 ZPO.

An den Landgerichten sind funktional zuständig die Kammern für Handelssachen, § 95 Abs. 1 Nr. 4a GVG.

Die Erhebung einer Ausschlussklage durch die GmbH als Klägerin bedarf eines Gesellschafterbeschlusses, wobei der Auszuschließende selbst kein Stimmrecht hat.BGH Urt. v. 17.02.1955 - III ZR 258/53 Der Beschluss zur Erhebung einer Ausschlussklage bedarf einer Dreiviertelmehrheit der abgegebenen Stimmen, § 60 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG.BGH Urt. v. 1. 4. 1953 - II ZR 235/52 Eine derartige Beschlussfassung ist lediglich entbehrlich, wenn der Gesellschafter einer Zwei-Personen-Gesellschaft ausgeschlossen wird.BGH Urt. v.  20. 9. 1999 - II ZR 345–97

Der Geschäftsführer vertritt die Gesellschaft auch im Gerichtsverfahren. Die Höhe der Abfindung ist in den Antrag aufzunehmen.

Gegen das Urteil des Landgerichts ist die Berufung nach § 511 ZPO oder gegebenenfalls die Sprungrevision nach § 566 ZPO statthaft.

Die Bestimmung des Streitwertes folgt § 3 ZPO und richtet sich damit nach dem Verkehrswert der Gesellschaftsanteile.  


Fußnoten