§ 38 Widerruf der Bestellung
(1) Die Bestellung der Geschäftsführer ist zu jeder Zeit widerruflich, unbeschadet der Entschädigungsansprüche aus bestehenden Verträgen.
(2) Im Gesellschaftsvertrag kann die Zulässigkeit des Widerrufs auf den Fall beschränkt werden, daß wichtige Gründe denselben notwendig machen. Als solche Gründe sind insbesondere grobe Pflichtverletzung oder Unfähigkeit zur ordnungsmäßigen Geschäftsführung anzusehen.
(3) Der Geschäftsführer hat das Recht, um den Widerruf seiner Bestellung zu ersuchen, wenn er wegen Mutterschutz, Elternzeit, der Pflege eines Familienangehörigen oder Krankheit seinen mit der Bestellung verbundenen Pflichten vorübergehend nicht nachkommen kann und mindestens ein weiterer Geschäftsführer bestellt ist. Macht ein Geschäftsführer von diesem Recht Gebrauch, muss die Bestellung dieses Geschäftsführers
- 1. widerrufen und dabei die Wiederbestellung nach Ablauf des Zeitraums der in § 3 Absatz 1 und 2 des Mutterschutzgesetzes genannten Schutzfristen zugesichert werden,
- 2. in den Fällen der Elternzeit, der Pflege eines Familienangehörigen oder der Krankheit widerrufen und dabei die Wiederbestellung nach einem Zeitraum von bis zu drei Monaten entsprechend dem Verlangen des Geschäftsführers zugesichert werden; von dem Widerruf der Bestellung kann abgesehen werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt.
In den in Satz 2 Nummer 2 genannten Fällen kann die Bestellung des Geschäftsführers auf dessen Verlangen für einen Zeitraum von bis zu zwölf Monaten widerrufen werden. § 77a Absatz 2 findet auf Bestellungen während des Zeitraums nach den Sätzen 2 oder 3 keine Anwendung, wenn das Beteiligungsgebot ohne den Widerruf eingehalten wäre.
Für den Rechtsverkehr
(für Nichtjuristen)
zum Expertenteil (für Juristen)
Bedeutung für den Rechtsverkehr, häufige Anwendungsfälle
1. Allgemeines
1
2. Regelungsziel
2Der im Gesetzestext verwendete Begriff „Widerruf“ der Bestellung meint tatsächlich die Abberufung des Geschäftsführers aus seinem Amt.
3. § 38 I GmbHG – freier Widerruf
a) Allgemein
3Das Gesetz sieht als Regelfall vor, dass der Geschäftsführer jederzeit abberufen werden kann. Allerdings ist
b) Zuständigkeit und Abberufungsverfahren
aa) Zuständigkeit
4Wie die Zuständigkeit zur Bestellung, so liegt ebenfalls die Abberufungszuständigkeit bei den Gesellschaftern bzw. der Gesellschafterversammlung (
Dagegen kann gesellschaftsexternen Dritten nicht die Abberufungskompetenz übertragen werden.
bb) Gesellschafterbeschluss
Sind keine vom Gesetz abweichenden Regelungen getroffen zur Abberufungszuständigkeit getroffen worden sind die Gesellschafter für die Abberufung zuständig. Es bedarf dann für die Abberufung des Geschäftsführers eines wirksamen Beschlusses der Gesellschafterversammlung. Ein Gesellschafter-Geschäftsführer darf bei seiner eigenen Abberufung nach
Vor der Beschlussfassung muss der Geschäftsführer nicht gehört werden.
cc) Vollzug der Abberufung
Für den Vollzug der Abberufung des Geschäftsführers ist es erforderlich, die Abberufung gegenüber diesem bekannt zu geben. Ist der Geschäftsführer bei der Beschlussfassung gegenwärtig, wird seine Abberufung formfrei ihm gegenüber sofort wirksam, sofern sie unbedingt und mit sofortiger Wirkung erklärt wurde. Ist der Geschäftsführer nicht anwesend, muss ihm der Beschluss bekannt gegeben werden. Die Zuständigkeit für die Bekanntgabe liegt grundsätzlich bei der Gesellschafterversammlung, es sei denn, die Gesellschafterversammlung hat einen anderen Geschäftsführer oder einen Dritten mit der Bekanntgabe beauftragt.
Praxis-Tipp: In einem solchen Fall muss auch ein entsprechender Gesellschafterbeschluss gefasst werden, welcher zum Inhalt die Beauftragung eines Dritten, die Abberufung gegenüber dem Geschäftsführer bekannt zu geben, hat.
Die Erklärung der Abberufung bedarf keiner besonderen Form, sollte zu beweiszwecken aber schriftlich und per Einschreiben oder persönliche Übergabe gegen Empfangsbekenntnis erfolgen. Der Beschluss über die Abberufung des Geschäftsführers wird mit Zugang der Erklärung an den Geschäftsführer wirksam.
Für den weiteren Vollzug ist die Abberufung zum Handelsregister anzumelden. Dies sollte auch dann geschehen, wenn die Wirksamkeit der Abberufung streitig ist. Die Anmeldung zum Handelsregister erfolgt durch einen anderen Geschäftsführer.
c) Kündigung des Geschäftsführeranstellungsvertrages
5Von der Abberufung zu unterscheiden ist die Beendigung des Anstellungsverhältnisses. Abberufung und Kündigung stellen daher zwei unterschiedliche Vorgänge dar. In der Praxis wird dies so gehandhabt, dass neben dem Gesellschafterbeschluss über die Abberufung eines Geschäftsführers auch ein Gesellschafterbeschluss über die (ordentliche und, bei Vorliegen von wichtigen Gründen für die Abberufung, die außerordentliche) Kündigung des Geschäftsführeranstellungsvertrags gefasst wird. Dieser Beschluss enthält auch bereits einen Widerspruch der Fortführung des Dienstverhältnisses nach dem Beendigungszeitpunkt. Auch wird ein Beschluss darüber gefasst, dass eine Person (meistens einer der Gesellschafter) damit beauftragt wird, die Kündigung dem Geschäftsführer bekannt zu geben.
Zu beachten ist, dass so lange die Kündigung des Anstellungsverhältnisses nicht erfolgt und wirksam geworden ist, der Geschäftsführer grundsätzlich seinen Vergütungsanspruch behält.
4. § 38 II GmbHG – Einschränkungen der freien Widerrufbarkeit
a) Allgemein
6Abweichend von
b) Grundlagen der Einschränkung
Es gibt unterschiedliche Gründe, aus denen die freie Abberufbarkeit eingeschränkt sein kann. Das kann sich aus dem Gesellschaftsvertrag, vertraglichen Abreden unter den Gesellschaftern, aus gesetzlichen Regelungen zur Mitbestimmung von Arbeitnehmern oder aus Treuepflichten ergeben.
aa) Sonderrechte des abberufenen Geschäftsführers
Zugunsten eines Gesellschafters kann beispielsweise ein Sonderrecht in die Satzung aufgenommen werden mit dem Inhalt, dass dem begünstigten Gesellschafter ein Recht auf die Geschäftsführung als mitgliedschaftliches Sonderrecht eingeräumt wird. In diesem Fall ist eine freie Abberufung nach
bb) Präsentations- und Entsenderechte
Im Gesellschaftsvertrag kann auch geregelt werden, dass einzelne Gesellschafter oder Gesellschaftergruppen das Recht haben sollen, einen Geschäftsführer zu präsentieren, der dann von der Gesellschafterversammlung zu bestellen ist oder einen Geschäftsführer zu entsenden, ohne, dass es hierfür eines Beschlusses der Gesellschafterversammlung bedarf. In diesen Fällen wird dann üblicherweise auch vereinbart, dass der Geschäftsführer entweder nicht ohne Zustimmung der präsentierenden oder der entsendenden Gesellschafter wieder abberufen werden kann.
cc) Stimmbindungsvereinbarungen
Ist ein Gesellschafter-Geschäftsführer mit den übrigen Gesellschaftern eine Stimmbindungsvereinbarung hinsichtlich seiner Abberufung eingegangen, so ist es den übrigen Gesellschaftern nicht gestattet, den Gesellschaftergeschäftsführer abredewidrig abzuberufen, es sei denn, es liegt ein wichtiger Grund vor.
c) Zuständigkeit und Abberufungsverfahren
Im Regelfall – also wenn kein anderes Organ im Gesellschaftsvertrag bestimmt worden ist – entscheiden auch hier die Gesellschafter über die Abberufung aus wichtigem Grund in der Gesellschafterversammlung durch Beschluss.
Die Abberufung des Geschäftsführers aus wichtigem Grund erfolgt mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Die Rechtsprechung und einschlägige Literaturauffassung gehen davon aus, dass eine im Gesellschaftsvertrag vereinbarte qualifizierte Mehrheit, welche für die Abberufung aus wichtigem Grund gelten solle, nicht anzuwenden ist. Ansonsten sähen sich die Gesellschafter gezwungen, einen Geschäftsführer auf unbestimmte Zeit zu akzeptieren, der aber nach Ansicht der Mehrheit der Gesellschafter untragbar ist (beispielsweise wenn die Regelung die qualifizierten Mehrheit auf Basis aller Geschäftsanteile vorsieht).
d) Wichtige Gründe für die Abberufung
Ein wichtiger Grund für die Abberufung ist dann anzunehmen, wenn der weitere Verbleib des Geschäftsführers in seinem Amt der Gesellschaft und den Gesellschaftern bei Würdigung aller Umstände und bei Berücksichtigung der betroffenen Interessen nicht länger zugemutet werden kann. Ob ein solcher wichtiger Grund vorliegt, ist stets am Einzelfall zu überprüfen. Von der Rechtsprechung wurden beispielsweise als wichtige Gründe für die Abberufung anerkannt die Annahme von Schmiergeldern, Unredlichkeit, Fälschung von Buchungsunterlagen, langjährige Bilanzmanipulationen und Steuerhinterziehung, schwerer Vertrauensbruch, Zerwürfnis der Geschäftsführer untereinander, das nachdrückliche und andauernde Widersetzen gegenüber Gesellschafterweisungen, schwerwiegende oder wiederholte Kompetenzüberschreitung, geschäftsschädigendes Verhalten gegenüber Dritten oder Eigenmächtigkeiten zu Lasten der Gesellschaft, unterlassene Aufstellung von Jahresabschlusses oder die Nichteinreichung der Jahresabschlüsse beim Finanzamt, Missbrauch von Gesellschaftsvermögen, Duldung pflichtwidrigen Handelns anderer Geschäftsführer, Unterlassen der Vorlage wichtiger Entscheidungen an die Gesellschafterversammlung, Nichterfüllung von Gesellschafteranfragen nach
5. § 38 GmbHG aus Sicht der Gesellschafterversammlung
7Nach
Der Beschluss über die Abberufung kommt zustande, wenn er mit einer Stimmmehrheit angenommen wird. Falls das Abstimmungsergebnis unentschieden ist, also 50 % der Gesellschafter mit „Nein“ und 50 % der Gesellschafter mit „Ja“ gestimmt haben, dann gilt der Beschluss als abgelehnt und damit als nicht zustande gekommen.
Bei der Abstimmung ist besonderes Augenmerk darauf zu legen, ob einer der Gesellschafter einem Stimmverbot entsprechend
6. § 38 aus Sicht des Gesellschafters
8Die Gesellschafter sind bei einer Abberufung eines Geschäftsführers aus wichtigem Grund nach
Die Treuepflicht gebietet es, der Abberufung eines Geschäftsführers, welcher Pflichtverletzungen begangen hat, zuzustimmen, da eine weitere Tätigkeit für die Belange der Gesellschaft nicht zumutbar ist. Falls die Gesellschafter hinsichtlich des Abberufungsbeschlusses dennoch mit „Nein“ stimmen, sind ihre Stimmen nicht mitzuzählen, da sie nichtig sind. Dies allerdings nur dann, wenn tatsächlich wichtige Gründe für die Abberufung des Geschäftsführers vorlagen. Ansonsten trifft die Gesellschafter keine Zustimmungspflicht, genauso wie bei einer Abberufung gemäß
In der Praxis wird oft unter den Gesellschaftern darüber gestritten, ob die abgegebenen Stimmen des Gesellschafters oder bestimmter Gesellschafter nichtig sind, da sie gehalten gewesen sind, dem Abberufungsbeschluss aufgrund von vermeintlichen Pflichtverletzungen des Geschäftsführers zuzustimmen. Auch solche Streitigkeiten bedürfen meist der gerichtlichen Klärung im Wege der Anfechtungs- bzw. Beschlussfeststellungsklage. Eine wichtige Rolle spielt hierbei auch der einstweilige Rechtsschutz. Durch eine einstweilige Verfügung kann verhindert werden, dass ein Beschluss der Gesellschafterversammlung vollzogen wird, soweit Gesellschafter befürchten, dass dem Geschäftsführer auf Grund des Beschlusses gekündigt wird und seine Abberufung zum Handelsregister angemeldet wird, obwohl kein wichtiger Grund vorliegt. Andererseits kann einem Geschäftsführer auch durch einstweilige Verfügung untersagt werden, seine Geschäftsführungsbefugnisse auszuüben, bis ein Rechtsstreit über die Wirksamkeit seiner Abberufung entschieden ist.
Eine entscheidende Rolle für das Vorgehen gegen den Beschluss und seiner Umsetzung spielt die Frage, ob der Abberufungsbeschluss durch den Leiter der Versammlung förmlich festgestellt wurde. Ob es einen solchen Versammlungsleiter gibt, ob der Beschluss festgestellt ist und welche rechtlichen Konsequenzen das hat ist im Einzelfall zu prüfen.
7. § 38 aus Sicht des Geschäftsführers
a) Fremdgeschäftsführer
9Wird der Fremdgeschäftsführer gemäß
Der Fremdgeschäftsführer kann sich bei einer Abberufung gemäß
Sollte sich allerdings herausstellen, dass der Abberufungsbeschluss nichtig oder aufgrund einer Anfechtungsklage für nichtig erklärt worden ist, dann fehlt der Abberufung bereits der notwenige Gesellschafterbeschluss mit der Folge, dass der Geschäftsführer seine Stellung nie verloren hatte.
b) Gesellschafter-Geschäftsführer
10Bei der Abberufung ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes gemäß
Bei der Abberufung aus wichtigem Grund hat der Gesellschafter-Geschäftsführer dagegen kein Stimmrecht, andernfalls könnte er seine Abberufung aus wichtigem Grund verhindern, wenn er z.B. Mehrheitsgesellschafter ist. Der Geschäftsführer ist auch an der Abstimmungsteilnahme als Vertreter eines anderen Gesellschafters gehindert (dies gilt im Übrigen auch für den Fremdgeschäftsführer).
Meistens entsteht in der Praxis unter den Gesellschaftern Streit darüber, ob der Gesellschafter-Geschäftsführer von der Abstimmung ausgeschlossen war und ob tatsächlich wichtige Gründe bzw. Pflichtverletzungen vorlagen. Dieser Streit wird dann im Wege der den Abberufungsbeschluss angreifenden Anfechtungsklage gerichtlich geklärt. Unklar ist, ob der Geschäftsführer in der Zwischenzeit sein Amt ausüben darf oder nicht. Oft wird dies im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes versucht zu kläre. Entweder durch ein Verbot des Vollzugs des Abberufungsbeschlusses bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über die Beschlussanfechtungsklage oder durch ein Verbot der Ausübung der organschaftlichen Rechte.
8. § 38 aus Sicht von Kunden, Lieferanten
11Für Kunden und Lieferanten ist die Abberufung des Geschäftsführers insofern wichtig, als dass sie wissen müssen, ob der Geschäftsführer bei Abschluss eines Geschäfts vertretungsbefugt ist oder war.
Wurde seitens der Gesellschaft unterlassen, die Abberufung des Geschäftsführers im Handelsregister anzumelden, müssen sich gutgläubige Kunden und Lieferanten nicht entgegenhalten lassen, dass der Geschäftsführer bei Vertragsabschluss nicht vertretungsbefugt gewesen ist. Die Gesellschaft hat dann das abgeschlossene Geschäft des abberufenen Geschäftsführers zu akzeptieren.
Expertenhinweise
(für Juristen)
1) Allgemeines
12Richtigerweise müsste die Gesetzesüberschrift „Abberufung des Geschäftsführers“ anstatt „Widerruf der Bestellung“ heißen. Tatsächlich nämlich zielt die Vorschrift darauf ab, die Organstellung des Geschäftsführers ex nunc und nicht ex tunc – wie etwa bei einem Widerruf – zu beenden.Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, 21. Auflage (2017), § 38, Rn. 1
Absatz 1 der Norm statuiert den Grundsatz der jederzeitigen Abberufbarkeit des Geschäftsführers. Diese Regelung ist jedoch dispositiv. Absatz 2 behandelt die Grenzen, innerhalb derer die freie Widerrufbarkeit nach Absatz 1 eingeschränkt werden kann.
Die Abberufung ist, wie die Kündigung, ein einseitiges RechtsgeschäftLutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, 19. Auflage (2016), § 38, Rn. 1 , ist jedoch strikt von der schuldrechtlichen Ebene zu trennen.
Im Rahmen von
2) Definitionen
a) Widerruf der Bestellung (Abs. 1)
13Der Widerruf nach Abs. 1 ist zu jeder Zeit möglich, wenn keine anderweitigen Regelungen in der Satzung verankert sind. Das bedeutet also, dass der Geschäftsführer jederzeit und mit sofortiger Wirkung – ex nunc – ohne Vorliegen von GründenWicke/Wicke, GmbHG, 3. Auflage (2016), § 38, Rn. 4. ; Roth/ Altmeppen/Altmeppen, GmbHG, 8. Auflage (2015), § 38, Rn. 4